Nordhessische … Gedanken zur Locomore-Insolvenz

Gedanken zur Locomore-Insolvenz

Abstract

Der nach eigenen Angaben erste per Crowdfunding finanzierte Fernzugbetreiber Locomore musste am Donnerstag Insolvenz anmelden. Nach Unternehmensangaben sind die finanziellen Reserven aufgebraucht. In diesem Artikel werden einige Gedanken dazu geäußert.

Alternative zum Fernbus und zum ICE

In einem Artikel vor zwei Wochen wurde Locomore an dieser Stelle als Konkurrenz zum Fernbus – auf der Schiene bezeichnet. Denn mit den Preisen von 13 oder 16 € für die Fahrt zwischen Kassel und Heidelberg war das Angebot definitiv konkurrenzfähig zum Fernbus oder zu einer Mitfahrgelegenheit.

Auch die Fahrzeit zwischen den Städten von 2:30 Stunden (Richtung Süden) bzw. 2:45 Stunden (Richtung Norden) ist konkurrenzfähig – und zwar zum ICE der Deutschen Bahn, der den Umweg über den Frankfurter Hauptbahnhof nimmt. Allerdings zeigt die Erfahrung, dass die ICE-Fahrt einen äußerst fragilen Anschluss in Mannheim Hauptbahnhof hat.

Wenn alles geklappt hat, war der Locomore daher Preis-Leistungs-Sieger auf der Strecke und daher oft sehr gut ausgelastet.

Locomore zur Insolvenz

Trotzdem musste das Unternehmens am 11. Mai 2017 vermelden:

Sowohl die Anzahl der Fahrgäste als auch die Einnahmen pro Fahrgast sind zwar kontinuierlich angestiegen, aber nicht schnell genug, um vollständig kostendeckend zu arbeiten. Unsere finanziellen Reserven sind nunmehr aufgebraucht, so dass wir uns zu diesem Schritt gezwungen sahen. Gestern Abend hat nach fortgeschrittenen Verhandlungen dann noch ein Investor abgesagt, dessen Engagement die Insolvenz abgewendet hätte.

Für weitere Fragen haben wir eine FAQ Seite eingerichtet:
https://locomore.com/de/faq-insolvenz/

Aus der FAQ geht dann noch hervor, dass – wie zu erwarten – Forderungen aus bereits gekauften Fahrkarten oder Fahrgastrechteansprüchen (siehe auch den Artikel von Anfang Mai) Teil der Insolvenzmasse sind. Damit ist der Autor dieser Zeilen offiziell zum ersten Mal Gläubiger in einem Insolvenzverfahren.

Ende der Bahnstrecke von Lilydale nach Warburton in Queensland, Australien
Ende – der Bahnstrecke von Lilydale nach Warburton in Queensland (Australien).

Zuverlässigkeit als kritischer Punkt

Im Artikel von Anfang Mai sowie aus dem Winter ist bereits auf die Pünktlichkeit bzw. Zuverlässigkeit des Locomore hingewiesen worden:

Die beiden anderen geplanten Fahrten fanden auf Grund der zu erwartenden Verspätungen am Ankunftsort von mehr als einer Stunde (einmal 90 Minuten, einmal etwas über 2 Stunden) […] anderweitig statt.

Da die Fahrkarten dafür im Voraus gebucht worden sind, konnten die Fahrgastrechte in Anspruch genommen werden. Das heißt für die Kalkulation des Unternehmens:

Dem eigenen Fahrpreis von z. B. 16 € steht dann eine Zahlung an den Fahrgast von rund 50 € (bei Buchung des – kurzfristig nur noch erhältlichen – Flexpreises mit einer BahnCard 25) gegenüber. Dem entsprechend ist die Pünktlichkeit und Zuverlässigkeit von Locomore der Punkt, an dem die Zukunft des Unternehmens hängt.

Wenn dann, wie am 1. Mai 2017, eine Verspätung von rund sechs Stunden durch eine defekte Lok entsteht, reißt das ein riesiges Loch in das Budget, sofern ein Großteil der Fahrgäste auf andere Züge ausweicht und die zusätzlich entstandenen Fahrtkosten geltend macht.

Gute Idee, aber:

Trotz der Insolvenz von Locomore ist die Idee eines privaten Fernverkehrs auf der Schiene jenseits der Deutschen Bahn nicht tot. Es wird allerdings deutlich, wie schwierig und kapitelintensiv der Betrieb ist. Die Zuverlässigkeit ließe sich durch Reserven steigern, allerdings rentieren sich diese erst ab einer gewissen Größe der Zugflotte, z. B. auf Grund eines Takverkehrs oder eines dichteren Netzes. Das erhöht allerdings die finanzielle Schwelle zum Einstieg in den Fernzugmarkt deutlich. Und selbst dann ist die Frage, welche Rendite sich erzielen lässt, sprich, ob das Geschäft lohnend für Investoren ist – oder ob es zumindest für eine „schwarze Null“ eines Crowdfunding-Projekts reicht.