Nordhessische … KVG-Liniennetzreform im Detail

KVG-Liniennetzreform im Detail

Abstract

Die Kasseler Verkehrsgesellschaft (KVG) muss sparen und will gleichzeitig näher am Fahrgast sein. Dieser Spagat – als Liniennetzreform unter dem Titel Kasseler Linien – einfach. schnell. nah veröffentlicht – ruft mittlerweile viel und fundierte Kritik hervor. Dabei wird übersehen, welchen Beitrag zur Gesundheit das Verkehrsunternehmen mit Taktausdünnungen und Attraktivitäts-senkendem AST-Verkehr leistet: Wege zu Fuß oder mit dem Fahrrad entwickeln sich immer mehr zur ernsthaften Alternative.

Kasseler Linien – einfach. schnell. nah

ÖPNV bisher in Kassel

Die KVG hat auf der eigens eingerichteten Webseite Kasseler Linien alle Informationen zur Liniennetzreform zusammengetragen. Als Vergleich steht neben den ganzen Ideen für die Zukunft das aktuelle Netz – allerdings ohne die zugehörigen Fahrpläne, die sich der Interessierte direkt auf der KVG-Webseite zusammensuchen muss.

KVG-Netzplanung ab 2017

Neben den bisherigen Fahrplanzeiten Hauptverkehrszeit (HVZ) werktags 6 bis 19 Uhr und samstags 9 bis 15 Uhr sowie Schwachverkehrszeit (SVZ) soll es in Zukunft noch eine dritte geben, die die SVZ mit noch einmal halbierten Takt auf den Hauptachsen „umrahmt“: Abends ab 22:30, samstags vor 8 und sonntags vor 11 Uhr. Als „Lichtblick“ im aktuellen Entwurf sollen die samstäglichen Tram-Fahrzeiten den Ladenöffnungszeiten in der Königsstraße Rechnung tragen, so dass die HVZ am Samstag auf 18 Uhr ausgedehnt wird.

Das geplante Tramnetz

Während bei der Straßenbahn größtenteils nur marginale Änderungen anstehen, wird das Busnetz mehr oder weniger komplett umgekrempelt. Da die Straßenbahn das ÖPNV-Verkehrsmittel mit der größten Attraktivität ist, seien zuerst die Änderungen hier zusammengefasst:

Tram 1 Vellmar—Wilhelmshöhe
Neben der Tram-Linie 8 ist diese Linie von keiner Verlegung der Linienäste betroffen, sondern lediglich von einer Angebotseinschränkung. So soll diese nach der aktuellen Planung spätabends ab 22:30 Uhr und am sonntags morgens bis 11 Uhr nur zwischen Königsplatz und Vellmar verkehren. Damit ist nicht nur das UNESCO-Weltkulturerbes Bergpark Wilhelmshöhe mit dem Schloss Wilhelmshöhe zu diesen Zeiten vom ÖPNV abgehängt, sondern auch der Fernbahnhof in Bad Wilhelmshöhe deutlich schlechter angebunden. Wer einmal sonntags abends zwischen 21 und 23 Uhr vom Zug zur Tram gelaufen ist, wird wissen, was gemeint ist.
Tram 2 Schulverkehr Baunatal—Brückenhof
Der Sinn, diese Linie wieder einzuführen, erschließt sich wohl nur dem Verkehrsplaner. Denn da in Zukunft die Linien 3 und 7 zum Mattenberg geführt werden sollen, könnten auch Fahrten dieser Linien nach Baunatal verlängert werden.
Tram 3 Ihringshäuser Straße—Wilhelmshöher Allee—Mattenberg
Tram 4 Hessisch-Lichtenau—Vorderer Westen—Druseltal
Diese beiden Linien tauschen ihre westlichen Endpunkte. Die Strecke zwischen Druseltal und Bahnhof Wilhelmshöhe dürfte insgesamt weniger verspätungsanfällig sein, als die bisherige Verbindung vom Mattenberg mit dem dortigen Anschluss an die Linie 5. Allerdings ist zu vermuten, dass eine „Neue Herkulesbahn“ wohl kaum mit der Linie 4 realisiert werden dürfte. Es besteht also die Befürchtung, dass mit diesem Linientausch die Herkulesbahn eine endgültige Absage erhält. Vorteil ist, dass mit den Linien 1, 3 und 5 in Zukunft jeweils mindestens zwei Unistandorte im Stadtgebiet miteinander verbunden werden. Und diese beiden Linien sollen in Zukunft die einzigen sein, die den Fernbahnhof Wilhelmshöhe in der Spätverkehrszeit mit der Innenstadt verbinden – jeweils halbstündlich über die Wilhelmshöher Allee bzw. Friedrich-Ebert-Straße.
Tram 5 Baunatal—Südstadt—Holländische Straße
Diese Linie soll eventuell mit der Linie 6 ihren südlichen Endpunkt tauschen, womit die oben angesprochene optimale Verbindung der Unistandorte wieder hinfällig wäre. In der Spätverkehrszeit sollen die bisher am Königsplatz endenden Fahrten auf die Linie 1 übergehen. Damit gäbe es zwar wieder eine durchgehende Nord-Süd-Verbindung, allerdings zum Preis, dass in der Frankfurter Straße nur noch jede halbe Stunde etwas fährt.
Tram 6 Ihringshäuser Straße—Südstadt—Brückenhof
Tram 7 Wolfsanger—Goethestraße—Mattenberg
Die Endpunkte der Linien 6 und 7 werden getauscht, wodurch mit der 3 zwei weitere „Durchmesser-Verbindungen“ vom Südwesten in den Nordosten der Stadt entstehen. Da die 6 in der Spätverkehrszeit nicht verkehrt, werden die Frankfurter und die Ihringshäuser Straße dann nur noch halbstündlich bedient. Und der Stadtteil Wolfsanger ist in der HVZ nicht mehr direkt mit der Königsstraße verbunden, dafür allerdings in Zukunft auch in der SVZ von der Straßenbahn bedient.
Tram 8 Hessenschanze—Leipziger Straße—Kaufungen Papierfabrik
Diese Linie ist schon seit je her zwischen Teichstraße und Hessenschanze weniger stark nachgefragt. In Zukunft soll sie in der „Spätverkehrszeit“ komplett entfallen, d. h. zwischen Bebelplatz und Hessenschanze fährt ein Bus, auf dem restlichen Abschnitt fährt nur noch die 4 – jede halbe Stunde.

Neben den zum Teil deutlichen Angebotsverschlechterungen vermisst man immer noch „den großen Wurf“, wie zum Beispiel:

  • eine sinnvolle Weiterführung der RegioTrams als so genannte Durchmesser-Linien wie RT5 Melsungen—Nordstadt, RT4 Wolfhagen—Hessisch-Lichtenau oder RT3 Hofgeismar—Südstadt
  • „Entflechtung der Tram-Linien“, so dass Linienbündel in der Innenstadt wechseln. Zur Zeit und auch in Zukunft gibt es Linien, die über einen großen Teil des Verlaufs parallel geführt werden wie 4/8 zwischen Vorderem Westen und Bettenhausen/Forstfeld sowie 3/7 zwischen Weserspitze und Mattenberg. Solche Bündel sind störungsanfälliger und erfordern Umstiege.

Das geplante Busnetz

Fast alle städtischen Buslinien werden neu geordnet und nummeriert, so soll es wieder eine Linie 11 geben (auf die Nummer 13 wird weiterhin verzichtet). Im Folgenden sind lediglich die Änderungen aufgeführt – tatsächlich erhalten einige Linien lediglich andere Nummern.

Bus 10 Rasenallee—Rothenditmold—Innenstadt—Waldau—Auestadion
Im Linienverlauf zwischen Harleshausen und Waldau sind die bisherigen Linien 18/19 erkennbar, zwischen Waldau und dem Auestadion die Linie 27. Geplant ist ein 10/15-Grundtakt in der HVZ, so dass Harleshausen und Rothenditmold wie bisher gut an die Innenstadt angebunden sind. Allerdings lässt der teilweise 10-Minuten-Takt die Frage nach einer Straßenbahnanbindung der Stadtteile Rothenditmold/Harleshausen sowie Waldau immer drängender erscheinen, schließlich scheint die Nachfrage entsprechend hoch zu sein.
Bus 11 Weserspitze—Klinikum—Hauptfriedhof—Rothenditmold—Kirchditmold—Wehlheiden—Waldau—Forstfeld—Leipziger Platz
Diese Buslinie ist optimal für eine Stadtrundfahrt, da sie zwischen den beiden gar nicht so weit voneinander entfernten Endpunkten in einem großen Kreis einen großen Teil der Stadt durchfährt. Diese Kombination aus den bisherigen Linien 27, 24 und 25 mag viele Erschließungsmöglichkeiten geben (den kompletten Linienverlauf wird kaum jemand fahren), ist allerdings auf Grund der Streckenlänge und -führung allerdings verspätungsanfällig.
Bus 16 Königsplatz—Karlsaue—Bebelplatz
Die „Innenstadtschleife“ dieser Linie entfällt zu Gunsten der Weiterführung als Linie 15 zum Rothenberg (bislang 12). Am südlichen Ende verkehrt die Linie auf dem Weg der bisherigen 25 zum Bebelplatz. Damit wird das Auebad für weitere Stadtteile (Vorderer Westen und Wehlheiden) umsteigefrei erschlossen.
Bus 21 Druseltal—Nordshausen—Brückenhof—Helleböhn—DEZ
Diese Linie besteht aus dem „Südwest-Fragment“ der bisherigen Linie 12 sowie dem südlichen „Rest“ der Linie 24.

„Ganz kleine Busse“: Das ergänzende AST-Netz

Die KVG-Untersuchungen haben auch Linienführungen und Stadtteile mit besonders niedriger Fahrgastnachfrage ergeben, so dass dort das bisherige Busangebot durch ein AST ersetzt werden soll. Vorteil: Die KVG spart Geld, da nur im Bedarfsfall ein Fahrzeug unterwegs ist. Nachteil: Große Gruppen können nicht mehr befördert werden und der Fahrgast muss sich selbst um sein Verkehrsmittel kümmern (mindestens 30 Minuten vor Abfahrt anrufen).

AST 27 Druseltal—Helleböhn
Diese Linie „ersetzt“ die bisherige Buslinie 24 zwischen Dönche und Helleböhn. Es mag sein, dass in gewisser Entfernung zur Linienführung parallel die Tram-Linien 3 und 7 verkehren, allerdings bindet bislang der Bus das Wohngebiet documenta urbana sowie den Haupteingang des Westfriedhofs an den ÖPNV an. Mit dem AST wird der Besuch des Westfriedhofs in Zukunft deutlich erschwert, gerade für alte Menschen. Gibt es überhaupt einen Zugang in der Nähe der Tram-Haltestelle Helleböhnweg?.
AST 28 Oberzwehren
AST 29 Oberzwehren
Die bisherige Stadtteillinie 21 zur Bedienung Oberzwehrens wird in zwei AST-Linien überführt, da die (offensichtlich) schwache Nachfrage zu wenig für ein Busangebot ist.

Kritik

Eine detaillierte Kritik der KVG-Liniennetzreform ist im zweiten Artikel KVG-Liniennetzreform – Ein Beitrag zur Gesundheit zu finden.