Nordhessische … Filmrezension: Fukushima und die Mopsfledermaus

Filmrezension: Fukushima und die Mopsfledermaus

Abstract

Am Sonntag Abend wurde auf dem 32. Kasseler Dokfest eine Dokumentation über die Energiewende gezeigt. Kernpunkt des Films ist, dass die „grüne“ Windenergie nicht gänzlich problemlos ist, sondern auch in die Natur eingreift. Daneben wird thematisiert, wie der Mensch Landschaft gestaltet und die Natur nutzt, was zu Nutzungskonflikten führt.

Windkraftgegner und Naturschützer im Spessart

Die Dokumentation begleitet hauptsächlich Windkraftgegner und Naturschützer im Spessart mit der Kamera, aber auch Befürworter und politische Entscheidungsträger kommen zu Wort. Auch wenn deren Ideen gegenläufig sind, so kreuzen sich doch ihre Handlungswege immer wieder. Im Film treffen dann Windkraftgegner auf den befürwortenden Bürgermeister, Natur- und Landschaftsschützer fahren durch einen hoch gezüchteten Nutzwald zu einer Windkraftanlage und sprechen vom Panorama oder Tierfreunde dokumentieren mit Fernglas und implantierten Peilsendern den Bestand geschützter Arten in designierten Windpark, während Minuten später ein Harvester (Holzvollernter) im Akkord Bäume fällt.

Neben der Begleitung des politischen Prozesses um den Bau oder die Verhinderung großflächiger Windparks im Spessart werden auch formaljuristische Aspekte der zuständigen (Bau-) Behörden und differenzierte philosophische Betrachtungen von Spessart-Bewohnern thematisiert. In der Diskussion später wurde auf die Frage nach dem Stand des Verfahrens geantwortet, dass es vor Ort immer noch läuft und nicht abgeschlossen ist.

Die verschiedenen Dimensionen der Energiewende

Global vs. Lokal

In der dem Film anschließenden Diskussion erläutert der Regisseur Philipp von Becker den Namen der Dokumentation wie folgt: Fukushima und die Mopsfledermaus können als Metaphern für die verschiedenen Dimensionen der Energiewende betrachtet werden. Während die Mopsfledermaus für den lokalen Bezug der Windkraft im Spessart steht, ist Fukushima symbolisch für das globale Projekt der Energiewende. Der Titel soll also das Spannungsfeld zwischen lokalen und globalen Problemen darstellen.

Die ursprüngliche Idee zum Film war laut von Becker den Wald aus der Stadtperspektive zu betrachten. Im Gegensatz zum Handlungsort Spessart gibt es in seiner Heimatstadt Berlin kaum große Waldflächen. Dafür kann er dort umweltfreundlich mit U- und S-Bahn ans Ziel kommen, während die Fahrten zu den Filmdrehs nach Hessen mit dem Auto stattgefunden haben. Die verschiedenen Punkte der Energiewende stecken bereits in der Entstehung des Films.

Nutzungskonflikte in einer Kulturlandschaft

Im Verlaufe des Films wird auch eine Person einer Baubehörde zu den rechtlichen Rahmenbedingungen der Aufstellung von Windkraftanlagen interviewt. In den entsprechenden Gesetzen – eine Windkraftanlage ist von der Baugenehmigung her nichts Anderes als ein Gebäude – steckt als relevanter Punkt auch der optische Eindruck. Einem Windrad kann die Genehmigung versagt werden, wenn es zu sehr ins Landschaftsbild eingreift.

Symbolbild des Films »Fukushima und die Mopsfledermaus« von Philipp von Becker
Symbolbild des Films Fukushima und die Mopsfledermaus von Philipp von Becker: Windräder im Hintergrund, grauer Beton einer Autobahn im Vordergrund – von Menschen gestaltete (verschandelte?) Kulturlandschaft. Foto: Philipp von Becker/Dokfest Kassel, mit freundlicher Genehmigung des Dokfests.

Allerdings ist ein großer Teil der Landschaft bereits einschneidend vom Menschen gestaltet worden: Straßen, Zersiedelung, Land- und Holzwirtschaft haben ihre Spuren in der Kulturlandschaft hinterlassen. Dem entsprechend werden formaljuristisch Windräder keinen weiteren, noch negativeren optischen Einfluss darstellen.

Dass es trotzdem jetzt zu Diskussionen über eine „Verschandelung der Landschaft“ kommt, liegt an Nutzungskonflikten innerhalb der Kulturlandschaft. Der Wald wird zur Holzwirtschaft, Erholung, Tourismus, Verkehr und jetzt auch noch zur Energieerzeugung genutzt. Dabei sind Windräder die einzige Nutzungsart, die auch außerhalb des Waldes sichtbar ist. Straßen, Wirtshäuser, Bäume ohne Äste und Harvester sind nur innerhalb des Waldes sichtbar, greifen aber auch in die Natur ein.

Systemische Zusammenhänge

Ein Punkt, der im Zusammenhang mit der Energiewende, häufig genannt wird, ist die unregelmäßige und von außen nicht steuerbare „Erzeugung“ (Umwandlung von Wind- und Sonnenenergie in elektrische Energie). Der Wind weht nicht unbedingt zur Frühstückszeit, die Sonne scheint nicht zur Halbzeitpause des Fußballs. Die dafür nötigen Speichertechnologien, um „Energieerzeugung“ und „-verbrauch“ zu entkoppeln, stecken noch in den Kinderschuhen, wie Kritiker bemängeln. Diese Debatte zeigt allerdings einen roten Faden des Films: Die Energiewende darf nicht wie bislang, „konventionell“, eindimensional, sondern muss vernetzt gedacht werden.

Dazu gehört auch ein generelles Umdenken bei der Ressourcennutzung. Ein Spessart-Bewohner bringt dies mit dem Begriff Ressourcenwende gut auf den Punkt. Neben Verzicht, d. h. weg vom Wachstumsparadigma der Marktwirtschaft, gehören dazu auch komplett andere Nutzungsformen von Energie. So ist es bspw. möglich, Sonnenenergie direkt in chemischen Reaktionen zu nutzen, ohne über den Umweg der Stromerzeugung zu gehen.

Demokratische Aspekte

Eine weitere Dimension der Energiewende wird zum Schluss des Films sowie in der anschließenden Diskussion deutlich: Menschen, die sich jahrzehntelang nicht in die Politik eingemischt haben, arbeiten in Bürgerinitiativen mit, zählen Tierbestände oder schreiben Pressemitteilungen. Die lokalen Auswirkungen der Energiewende haben so etwas wie eine „Graswurzelbewegung“ und Politisierung hervorgebracht.

„Energie der Bürgerinitiative“

Die im Film genannte „Energie der Bürgerinitiative“ wurde am Sonntag Abend auch in den Filmladen übertragen, da etliche Personen aus dem Film zur Premiere nach Kassel gekommen sind. Auch wenn die Diskussion auf Grund dieser „Meinungsmacht“ tendenziell ideologisch eingefärbt war, konnte doch die Lebendigkeit des Themas erlebt werden. Diese „Energie“ dürfte darin begründet sein, dass die Energiewende ein Prozess ist, der gerade erst im Gang und noch lange nicht abgeschlossen ist.