Nordhessische … Film-Rezension: … und Lebensmitteln

Film-Rezension: … und Lebensmitteln

Abstract

Am Dokfest-Samstag gab es zwei Programme, die kritisch beleuchteten, welchen Wert natürliche Ressourcen für den Mensch haben. Das spanische »San Agustin – Ebbe im Plastikmeer« ist der Hauptanbauort für Gemüse, doch „schlaue Bauern“ scheinen dort eher seltener zu sein. Einen guten Appetit wünscht Chefkoch Robert Bienert.

Passend zum »Wasserstand« am Samstag Mittag wurde abends im Filmladen eine Dokumentation über den Ort gezeigt, in welchem ein Großteil des europäischen Gemüses angebaut wird: »San Agustin – Ebbe im Plastikmeer«. Gudrun Gruber, Alexander Hick und Michael Schmitt haben sich „die Paprika-Seite“ des andalusischen Ortes angeschaut, indem sie sich von örtlichen Landwirten unter die riesigen Planen der Plantagen mitnehmen ließen. Herausgekommen ist dabei ein Film, der den Appetit auf Paprika, Zucchini und Auberginen verdirbt und die Augen an der Gemüsetheke öffnet.

Keine Ernte ohne Illegale

Im Gegensatz zu den »Schlauen Bauern« vom letzten Jahr scheinen ihre Kollegen in Agustin weder Bio-Lebensmittel anzubauen, noch wirklich fair angestellte Erntehelfer zu beschäftigen. Während die Verwendung von Pestiziden und Dünger im Film nicht dokumentiert wird, so wird der Umgang mit den Beschäftigen sehr ausführlich gezeigt. Dabei wird schnell klar, dass ohne die Illegalen aus Afrika kein Gemüse vom Strauch gepflückt würde. Deren jahrelange Leistungen werden zwar von einigen der Bauern zumindest anerkannt, trotzdem sind es in San Agustin „Menschen zweiter Klasse“. Die Aufzählungen an Unterstützung für die Illegalen, vorgetragen von Landwirten mit Zigarre im Mund, können über diesen Umstand nicht hinweg täuschen.

Und wie es scheint, gibt es ausgerechnet von Seiten der Politik kein Interesse an der Einbürgerung bzw. Schaffung legaler Arbeitsplätze. Solange die Menschen illegal beschäftigt werden, haben die Arbeiter keine Rechte, können nach Bedarf angeheuert und wieder gefeuert werden, brauchen keine Mindestlöhne berücksichtigt oder Sozialabgaben bezahlt zu werden. Das alles drückt die Anbaukosten und damit letztlich den Preis der Lebensmittel. „Wir haben die teuersten Küchen in Deutschland und die billigsten Lebensmittel,“ sagte einer der „schlauen Bauern“ letztes Jahr im Gloria-Kino. In San Agustin gibt es noch eine andere Möglichkeit: Der Zwischenhandel macht die großen Profite zwischen Plantage und Supermarkt. Dass es trotzdem regelmäßig Polizeikontrollen nach illegalen Arbeitskräften gibt, liegt an den hohen Geldstrafen, die erwischte Landwirte bezahlen müssen. So ist dieses System eine Win-Win-Situation auf Kosten der Erntehelfer.

Der Preis von Lebensmitteln

Gemeinsam sind die Probleme, für ihre Lebensmittel akzeptabel bezahlt zu werden. Damit werden großflächige Plantagen bzw. Betriebe und die Abkehr traditioneller Anbaumethoden begünstigt. Die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen zwingen den Bauern die „industrielle Herstellung“ auf. Einer der Bauern im Film, kein besonderer Menschenfreund und eigentlich Einzelgänger, beschreibt diese Situation mit dem Hinweis, er würde gerne Gemüse „wie früher“ anbauen. Später im Film ist zu sehen, wie er mit seinen Helfern aus Kostengründen Pflanzen entfernt, die zwar noch Früchte tragen, aber auf Grund ihres Wasserbedarfs unwirtschaftlich sind.

Eine andere Plantage besitzt einen großen Komposthaufen, auf dem „überschüssiges“ Gemüse landet. Zusammen mit dem Dung der Ziegen, die dieses Gemüse fressen, ergibt sich so immerhin Dünger für den Anbau. Während der so genannten „Gurkenkrise“, als spanische Gurken unter dem Verdacht der EHEC-Verbreitung standen, wuchs dieser Gemüsekompost rasant an, der Preisverfall ruinierte Landwirte, und alle waren sauer auf deutsche Ministerien. Dabei sind solche „Lebensmittelskandale“ Teil des Marktes. Sie stabilisieren den Preis und die angebotene Menge. Denn auch in San Agustin scheint das einzige Rezept, dem niedrigen Preis entgegen zu treten, ausgerechnet Produktionsausweitung zu sein – gemäß gängiger volkswirtschaftlicher Theorie vollkommen paradox.